In der vierten Auflage des Smart City Index wird der Fortschritt der Digitalisierung in den deutschen Großstädten gemessen und miteinander verglichen. Hierbei spielen beispielsweise eine engagierte Stadtverwaltung und Lokalpolitik, eine robuste Digitalstrategie, eine klare Struktur sowie weitere Faktoren eine große Rolle in der Bewertung der digitalen Zukunft der jeweiligen Stadt. Wo Darmstadt zum wiederholten Male in den Top 10 der smartesten Städte Deutschlands landet, gibt es bei den allen 81 Großstädten zum Teil sehr große Unterschiede zum Vorjahr. Obwohl sich keine der untersuchten Großstädte im Grad der Digitalisierung verschlechtert hat, gibt es trotzdem zum Teil große Unterschiede in der Geschwindigkeit der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen.
Der Smart City Index ist ein von Bitkom Research seit 2019 jährlich durchgeführte Leitstudie, in der die digitale Transformation und Digitalisierungsvorhaben aller deutschen Großstädte ab 100.000 Einwohnern aufgezeigt und in ein Ranking gebracht werden. Wichtig für dieses Ranking sind die fünf Themenbereiche Verwaltung, IT und Kommunikation, Energie und Umwelt, Mobilität sowie Gesellschaft, die anhand von 36 Indikatoren aus 133 Parametern gebildet werden. Für die diesjährige Ausgabe wurden so 10.773 Datenpunkte erfasst und einbezogen. Der Grad der Digitalisierung wurde zwischen 0 (schlechtester vorhandener Wert) und 100 (bester vorhandener Wert) anschaulich für die Teilrankings sowie das Gesamtranking festgelegt.
Im Vergleich zum Vorjahr befinden sich Hamburg (86,1) und München (85,3) erneut an der Spitze, mit Hamburg als smarteste Stadt Deutschlands zum vierten Mal in Folge. Dresden mit 81,6 aus den möglichen 100 Punkten landet zum ersten Mal auf Platz 3 und verbessert sich somit zum Vorjahr deutlich. Neben Darmstadt (75,3) haben sich auch Köln (79,4), Stuttgart (78,1) und Bochum (77,0) in den Top 10 gehalten. Neu dazugekommen sind Nürnberg (77,6), Aachen (77,3) und Düsseldorf (76,6), die sich alle um jeweils zehn Plätze verbessert haben.
Auf den ersten Blick erscheint es eine gute Nachricht, dass sich keine Großstädte im Grad der Digitalisierung verschlechtert haben - betrachtet man die Zahlen allerdings genauer und fügt weiteren Kontext hinzu, erhält man ein wesentlich realistischeres Bild der digitalen Gesamtsituation in den deutschen Großstädten. In Sachen Verwaltung haben sich vielerlei Bereiche im Vergleich der Vorjahre definitiv verbessert. So können Bürgerinnen und Bürger in 66 Prozent der Fälle einen Termin online vereinbaren. Kfz-Zulassungen sind mittlerweile sogar in 91 Prozent der Großstädte digital möglich, Gewerbeanmeldungen in 79 Prozent der Städte. Möchte man sich allerdings innerhalb der Kommune online ummelden, klappt das nur in 17 Prozent der Großstädte in Deutschland. Durch das Onlinezugangsgesetz sollte bis Ende 2022 eigentlich sichergestellt sein, dass alle Services der knapp 600 Verwaltungen vollständig digital verfügbar sein sollten. Nach dem jetzigen Stand ist jedoch nur rund ein Fünftel der Leistungen flächendeckend verfügbar. Das Digitalisierungsziel wurde somit eindeutig nicht erreicht, was sich auch in der Wahrnehmung der Deutschen widerspiegelt. In der Aussage, dass die Behörden in ihrem Umkreis überlastet wirken, fühlen sich 84 Prozent der Deutschen bestätigt. Ähnliche Zahlen finden sich auch in der Wahrnehmung, dass deutsche Ämter prinzipiell zu lange brauchen, um Anliegen zu bearbeiten (86%) und der Forderung, dass Städte und Verwaltungen mehr in die Digitalisierung investieren sollen (88 Prozent).
Auch in Sachen IT und Kommunikation wird erkenntlich, dass trotz des gerechtfertigten Anspruchs an ein digitales Deutschland in vielen Bereichen der Anschluss verschlafen wurde. Ein Breitbandanschluss mit einer Geschwindigkeit von mindestens 1.000 Mbit/s stehen 68 Prozent aller deutschen Haushalte zur Verfügung (80 Prozent in den Großstädten), Internet über Glasfaser ist gerade einmal für 18 Prozent eine Option (17 Prozent in den Großstädten) und die 5G-Netzabdeckung liegt aktuell bei knapp 80 Prozent in ganz Deutschland und bei 100% in den Großstädten. Beim Thema Energie und Umwelt lässt sich ein Aufwärtstrend deutlich erkennen. 64 Prozent der Großstädte nutzen intelligente Straßenlaternen, die in mehr als der Hälfte auch als Smart Poles eingesetzt werden. In Kombination mit dem mittlerweile verdreifachten Angebot von 9.670 Ladestation dieses Jahr zu den 3.066 im Vorjahr, ist ein Anstieg der zugelassenen Elektrofahrzeuge von 0.8 Prozent auf 1,4 Prozent in den Großstädten kein Zufall. Die Mobilitätswende zeigt sich auch in den Zahlen zur Verwendung von intelligenten Ampeln (83 Prozent), der Erprobung autonomer Fahrzeuge im ÖPNV mit 36 Prozent sowie einem nahezu vollständig etablierten Carsharing Angebot in 96 Prozent aller Großstädte. Natürlich hat das Thema Digitalisierung auch eine gesellschaftliche Relevanz, ob in Form von Bürgerbeteiligungsplattformen, die in knapp zwei Drittel der Städte vorhanden ist, Coworking-Spaces, die es mit 98 Prozent nahezu überall gibt oder Makerspaces, die in den meisten Städten mittlerweile etabliert wurden (85 Prozent).
Grundsätzlich zeigt sich ein deutlicher Aufwärtstrend in Sachen Digitalisierung in den deutschen Großstädten. Allerdings muss hervorgehoben werden, dass viele dieser Errungenschaften an Größe und
Standort gebunden sind. Größere Städte oder Städte mit einer Universität schneiden im Durchschnitt besser ab als kleinere Städte oder Städte ohne eine Universität. Interessanterweise gibt es
keine Unterschiede, ob eine Großstadt im Westen oder im Osten Deutschlands liegt. Vollkommen außen vor bei der Betrachtung des Digitalisierungsfortschrittes sind in diesem Fall die kleineren und
häufig finanziell schwächeren Kommunen. Hierbei gilt es, die Digitalisierungsmaßnahmen von Seiten des Bundes und der Länder zu unterstützen und neben einer angepassten Finanzierung auch digitale
Fördermaßnahmen zu koordinieren und eine geeignete Strategie zu entwickeln.
Foto von Emre Karataş auf Unsplash